Interview: Richtige Anreize setzen

Stefan Ehrlich-Adám, CEO der EVVA Sicherheitstechnologie GmbH und Vorsitzender des IV-Ausschusses für Arbeit & Soziales, über notwendige arbeitsmarktpolitische Weiterentwicklungen. 

Die Arbeitslosigkeit in Österreich liegt wieder auf Vorkrisenniveau – können wir damit nicht sehr zufrieden sein?

Natürlich ist die Entwicklung am heimischen Arbeitsmarkt erfreulich. Allerdings muss man auch sehen, dass Österreich im internationalen Vergleich laut der Arbeitslosenquote von EUROSTAT nur im EU-Mittelfeld liegt. Im Jahr 2014 waren wir noch die Nummer 1. Wir haben da also noch erheblichen Handlungsbedarf – gerade mit Blick auf den Mangel an Arbeitskräften, mit dem zahlreiche Betriebe konfrontiert sind. Die Industrie ist ein wichtiger Arbeitgeber mit rund einer Million Arbeitsplätzen, die vom Arbeits- und Fachkräftemangel besonders stark betroffen ist. Wir haben also noch immer zu viele Arbeitslose bei zu vielen offenen Stellen.

„Der Produktionssektor ist ein wichtiger Arbeitgeber mit rund einer Million Arbeitsplätzen, der vom Arbeits- und Fachkräftemangel besonders stark betroffen ist.“

Wie lässt sich der Arbeitskräftemangel in den Griff bekommen?

Da geht es nicht nur um Qualifizierung, sondern auch um das Anreizsystem. In Österreich gibt es zu starke Anreize, nicht arbeiten zu gehen. Die Möglichkeit, de facto unbegrenzt eine durchwegs hohe Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zu beziehen, ist im internationalen Vergleich ein Unikum. Im Anschluss an den Arbeitslosengeldbezug kann Notstandshilfe beantragt werden, die – auch mit Zuschlägen – zeitlich unbegrenzt gewährt werden kann. Das ist für viele in Verbindung mit einem Zuverdienst aus geringfügiger Beschäftigung attraktiver, als sich einen Job zu suchen. Unser System muss aber signalisieren, dass wir nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeit fördern – und dass es dazu auch keine Alternative gibt.

Um die zu hohen Arbeitskosten zu senken, plädiert die IV auch für eine Entlastung bei den Beiträgen für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Soll es weniger Geld für die Familien geben?

Nein – und die geplante Familienbonus-Erhöhung für Berufstätige ist auch zu begrüßen. Uns geht es um ordnungspolitische Klarheit. Denn dem FLAF wurden zahlreiche Leistungen „aufgebrummt“, die eigentlich von anderen Ressorts zu bezahlen wären. Neben den Zahlungen an die Pensionsversicherung für Kindererziehungszeiten, die eigentlich vom Sozialressort zu tragen wären, gilt das für die Schulbücher, die eigentlich in Verantwortung des Bildungsressorts sind, oder für die Unterhaltsvorschüsse, die Agenda des Justizministeriums sind. Der Familienlastenausgleichsfonds soll für die Familien da sein – und kein Vehikel, um familienfremde Leistungen zu finanzieren.

Was erwarten Sie sich von der aktuellen arbeitsmarktpolitischen Diskussion?

Die Unternehmen in Österreich können sehr konkrete Beiträge für mehr Arbeit leisten – und tun dies auch. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen mehr Entlastung, eine anreizorientierte Arbeitsmarktpolitik sowie bedarfsorientierte möglichst betriebsnahe Qualifizierung, die Betriebe und Arbeitnehmer weiterbringt.

Stefan Ehrlich-Adám ist CEO der EVVA Sicherheitstechnologie GmbH und seit 1993 im traditionsreichen Familienunternehmen tätig. Das Technologieunternehmen hat seinen Hauptsitz in Wien und zählt zu den führenden Herstellern von mechanischen und elektronischen Schließsystemen. Seit 2020 leitet Ehrlich-Adám in der Industriellenvereinigung den Ausschuss für Arbeit & Soziales, in dem sich CEOs und HR-Verantwortliche mit einem vielschichtigen Themenspektrum beschäftigen: von Arbeitsrecht & Arbeitszeit über Arbeitsmarktpolitik bis hin zur Sozialversicherung, Gesundheit & Pflege.