„Literaturpreis der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ an Andrea Grill verliehen

IV-GS Neumayer: Gesellschaft ohne Kunst, Kultur und Literatur wäre eine gescheiterte – Industrie unterstützt literarisches Schaffen aus tiefer Überzeugung

„Mit Andrea Grill feiern wir eine österreichische Schriftstellerin, die schon zahlreiche renommierte literarische Auszeichnungen ihr Eigen nennen kann. Ich freue mich, dass wir mit dem Wildganspreis nun eine weitere hinzufügen können und darf ihr dazu nochmals sehr herzlich gratulieren“, erklärte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, anlässlich der gestrigen Verleihung des „Literaturpreises der Österreichischen Industrie – Anton Wildgans“ 2021 an die österreichische Schriftstellerin Andrea Grill. Die diesjährige Preisträgerin sei nicht nur „eine Virtuosin auf literarischem Gebiet. Es gibt nicht nur die Schriftstellerin Andrea Grill, sondern auch die Wissenschaftlerin, Linguistin und Biologin, die es gewohnt ist, den Dingen auf den Grund zu gehen“, so der IV-Generalsekretär. Sie wisse nicht nur besser als viele andere um die Feinheiten der Sprache; neben der Schriftstellerei liege ihre Profession auch in der Erforschung des Neuen und Unbekannten und im Streben nach Erkenntnis – „etwas, das auch eine erfolgreiche, innovative und damit wettbewerbsfähige Industrie kennzeichnet, ja geradezu kennzeichnen muss“. Insofern verkörpere Andrea Grill die Verbindung zwischen Wissenschaft, Forschung und kreativem Schaffen. „Und genau dafür steht auch die österreichische Industrie, als Forschungs- und Innovationsmotor, als Technologietreiber, als kreativer Problemlöser“, so Neumayer, der einmal mehr die Bedeutung des Anton-Wildgans-Preises aus Sicht der Industrie hervorhob: „Eine Gesellschaft ohne Kunst, Kultur und Literatur wäre ohne Zweifel eine gescheiterte – das ist seit jeher unsere tiefe Überzeugung und die Unterstützung und vor allem die Wertschätzung literarischen Schaffens daraus die logische Konsequenz.“ 

Holzner: Dinge wahrnehmen, wie sie sind als zentrale Chance der Literatur 

Dass es in der Literatur keineswegs nur darauf ankomme, auf das Diktat der Erfahrung zu pochen, das werde in den Büchern von Andrea Grill kontinuierlich reflektiert. Die Fähigkeit, die Dinge so wahrzunehmen, wie sie sind, ohne Voreingenommenheit durch Erfahrung – darin liege für die Autorin eine zentrale Aufgabe oder jedenfalls Chance der Literatur, so Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner, vormals Leiter des Forschungsinstituts Brenner-Archiv an der Universität Innsbruck, in seiner Laudatio, in der er Bezug auf die einzelnen Werke der Preisträgerin nahm. So spannte er den Bogen vom Roman „Zweischritt“, in dem die Ich-Erzählerin eine Wissenschaftlerin ist und die Autorin „dicht hinter ihr steht“, bis hin zu „Cherubino“, zur Geschichte einer Mezzosopranistin, die es versteht, Karriere und Schwangerschaft harmonisch zu vereinbaren und jede unerwünschte Einmischung in ihre Prinzipien und Pläne auszubremsen. Letzteres Werk sei „ein Paradebeispiel dafür, wo sie unerschrocken jede Zurückhaltung streicht, wo es ihr darauf ankommt, Flagge zu zeigen und Klartext zu reden, anstatt alles in der Schwebe zu halten, was wenigstens hin und wieder im Ungewissen bleiben darf oder auch soll“. All dies aber stets in dem Grundgedanken, der Andrea Grills literarisches Werk von Anfang an auszeichne, „nämlich sich von jeder ideologischen Einkerbung fernzuhalten“, so Holzner zusammenfassend. 

Grill: Haben wir keine Angst vor der Freiheit

„Dieser Preis war eine schöne Überraschung für mich“, so Preisträgerin Andrea Grill, die das Publikum auch ihrerseits überraschte, indem sie den Beginn ihrer – zu einem Gutteil um die Vielfalt der Sprache kreisenden – Dankesrede, auf Albanisch hielt. Überraschungen bestünden hingegen für Dichter vor allem aus „Worten, Klängen, unverbrauchten Sätzen, die uns die Welt neu denken lassen, wie ein kühles Eis an einem heißen Tag, das wir unbedingt essen müssen, bevor es uns in den Händen schmilzt und auf den Boden tropft“, so die Autorin, für die die Sprache eng verknüpft, wenn nicht sogar gleichbedeutend mit dem Begriff der Freiheit ist. „Wenn sprechen, und damit meine ich schreiben, Freiheit bedeutet, und frei sprechen bedeutet, an dem zu zweifeln, was ich schreibe, mir Unsicherheit zu gestatten, eine Variation, ein Rutschen, dann können wahrscheinlich nur diejenigen, die frei sind, an der Existenz der Freiheit zweifeln, während die anderen sich nach dieser Freiheit sehnen, von der sie absolut sicher sind, dass es sie gibt. Haben wir keine Angst vor der Freiheit“, so Grill, die abschließend für den Preis dankte, der „für mich durch die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die ihn vor mir erhalten haben und Ihre und Eure Anwesenheit noch wertvoller wird.“ 

Wildgans-Preis seit 1962 durch unabhängige Jury vergeben

Der mit 15.000 Euro dotierte Preis wird bereits seit 1962 von einer unabhängigen Jury vergeben. Die Begründung der Jury – bestehend aus Prof. Marianne Gruber (Ehrenpräsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Literatur), Univ.-Prof. Dr. Johann Holzner (vorm. Leiter des Brenner-Archivs an der Universität Innsbruck) und Barbara Neuwirth (Schriftstellerin) – für die Auswahl der Autorin: „In den Gedichten, Erzählungen und Romanen von Andrea Grill sucht man die großen abstrakten Worte, die gemeinhin sich zu Urteilen entwickeln, ebenso vergeblich wie überschäumende Emotionen oder dramatische Konflikte. Aber man findet stattdessen eine zunächst einmal nüchtern wirkende und dennoch vielsagende Sprache, in der gründliche Sachkenntnis zum Ausdruck kommt, nicht selten auch trockener Humor, eine feine Ironie, und zugleich namentlich eine Empfindsamkeit sondergleichen allen Erscheinungen der Welt gegenüber: seien es Bäume oder Schmetterlinge, seien es die Rede- und Verhaltensweisen der Menschen oder auch ihre Verstellungskünste. Der ganz offensichtlich durch geistes- und naturwissenschaftliche Studien geschärfte Blick auf alle Erscheinungen der Umwelt und der Kultur bleibt niemals kalt, ist vielmehr konsequent aufgehoben in einem literarischen Prozess, in dem anschaulich sichtbar wird, wie sehr es in allem doch darauf ankäme, nicht zuletzt die Perspektive(n) der Betrachtung zu prüfen.“

Der Preis wird auf Vorschlag der unabhängigen Jury einem Schriftsteller oder einer Schriftstellerin der jüngeren oder mittleren Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft verliehen, „dessen oder deren Werk von hervorragender Relevanz für die literarische und gesellschaftliche Konstellation unserer Zeit ist“. Er gehört zu den renommiertesten österreichischen Literaturpreisen. Unter den Preisträgerinnen und Preisträgern befinden sich eine Reihe von prominenten Autorinnen und Autoren der Zweiten Republik wie Ingeborg Bachmann, Michael Köhlmeier, Arno Geiger, Sabine Gruber, Olga Flor, Norbert Gstrein, Robert Seethaler, Erich Hackl, Margit Schreiner, Sabine Scholl, Daniel Kehlmann und Reinhard Kaiser-Mühlecker 

Andrea Grill – Zur Person

Geboren 1975 im oberösterreichischen Bad Ischl, studierte Andrea Grill Biologie, Italienisch, Spanisch und Linguistik in Salzburg, Thessaloniki und Tirana. 2003 promovierte sie an der Universität von Amsterdam im Fach Evolutionsbiologie, 2017 habilitierte sie an der Universität Wien. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Albanischen, Italienischen und Niederländischen in Wien und Amsterdam. Ihr literarisches Schaffen steht seit vielen Jahren im Zentrum ihrer Arbeit. So erschienen auch während ihrer Tätigkeit als Forscherin bereits zahlreiche literarische Werke, wie etwa „Der gelbe Onkel. Ein Familienalbum“ (2005), „Das Schöne und das Notwendige“ (2010), „Safari, innere Wildnis – Gedichte“ (2014), „Das Paradies des Doktor Caspari“ (2015) sowie der 2019 erschienene Roman „Cherubino“, in dem Grill, in Anlehnung an die Figur aus der Mozart-Oper „Le nozze di Figaro“, das zeitgenössische Leitbild der selbstbestimmten Frau entzaubert. Die Autorin ist Trägerin renommierter literarischer Auszeichnungen, wie u.a. dem Otto-Stoessl-Preis, dem Förderpreis des Bremer Literaturpreises sowie dem Förderpreis für Literatur der Stadt Wien. Mit „Cherubino“ gelang ihr zudem der Sprung auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2019.