Der (noch) blockierte Aufschwung?

International stehen die Zeichen auf Wachstum. Wie Österreich davon profitieren kann und was einer kräftigen Erholung noch im Weg steht, zeigt eine aktuelle Analyse von IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

Sie sind 2021 die Sprinter im weltweiten Konjunkturaufschwung: Während der Internationale Währungsfonds für die USA einen BIP-Anstieg von 6,4 Prozent prognostiziert, soll Chinas Wirtschaft laut OECD um 7,8 Prozent zulegen. Vergleichsweise bescheiden ist die Wachstumsdynamik in der Eurozone, die nur etwas mehr als halb so kräftig ausfallen wird wie jene auf der anderen Seite des Atlantiks.

„Global hat der Aufschwung längst eingesetzt.“

„Global hat der Aufschwung längst eingesetzt“, erklärt IV-Chefökonom Christian Helmenstein. Das belegt etwa der RWI/ ISL-Containerumschlag-Index: Demnach hat der Welthandel sein Prä-COVID-Niveau bereits deutlich überschritten. Auch der vom Institute for Supply Management veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für die Neuauftragseingänge in der US-Industrie deutet mit einem Wert jenseits der 60 Punkte auf den Beginn einer Boomphase. Zudem verweist Helmenstein auf die Preise wichtiger Industrie-Rohstoffe wie Kupfer oder Eisen, die bereits „Hochkonjunkturniveau erreicht“ hätten. Interessantes Detail: Während die Effekte der COVID-19-Pandemie auf den Welthandel binnen vier Monaten bereits weitgehend überwunden wurden, waren dazu nach der Lehman-Krise 2008/09 acht Quartale erforderlich.

Foto: IV

Industrie überschreitet Vor-Krisen-Niveau

Für die stark exportorientierte heimische Industrie sind das grundsätzlich gute Nachrichten. „Zum ersten Mal in der Neuzeit trifft eine konjunkturelle Großkrise nicht primär die Industrie, sondern vor allem den Dienstleistungssektor“, erörtert Helmenstein. Er rechnet damit, dass Österreichs Industrie spätestens mit Februar 2021 das Prä-COVID-Produktionsniveau nachhaltig überschritten haben dürfte. Die gesamte Volkswirtschaft wird aus heutiger Sicht mindestens vier bis fünf Quartale länger benötigen.

„Die Industrie hat die Pandemie professionell gemeistert und inzwischen die Rolle der Wachstumslokomotive für Österreich übernommen. Allerdings gilt es zwischen den Branchen zu unterscheiden“, lautet die Analyse des Ökonomen. Eine besonders kräftige Erholung war für die Fahrzeugindustrie und die chemische Industrie zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu sind jene Bereiche stark getroffen, die unter den Corona-Maßnahmen direkt oder indirekt leiden, wie etwa die Luftfahrtzulieferer oder die Brauereien.

Effektive Test-, Tracing- und Impfstrategie

Helmenstein ist überzeugt, dass Österreich am kräftigen internationalen Aufschwung partizipieren kann: „Alle drei Hauptnachfragekomponenten des BIP – Konsum privater Haushalte, Exporte und Ausrüstungsinvestitionen – bergen ein enormes Erholungspotenzial für die österreichische Wirtschaft. Sobald erstens die uneingeschränkte Erreichbarkeit der Märkte wiederhergestellt ist, ist mit einem merklichen Anziehen der Exporte zu rechnen. Würde sich zweitens die COVID-bedingt nahezu verdoppelte Sparquote im Jahresverlauf lediglich von derzeit 14 auf neun Prozent zurückbilden, impliziert dies eine zusätzliche Konsumnachfrage in Höhe von 11,25 Mrd. Euro binnen Jahresfrist. Im Vorgriff auf die kommende Konjunkturerholung sowie zur weiteren Digitalisierung des Wirtschaftens, kräftig unterstützt durch die Investitionsprämie, liegen drittens die Ausrüstungsinvestitionen bereits im Plus.“

Voraussetzung ist und bleibt aber die rasche Bekämpfung der Pandemie mit einer effektiven Test-, Tracing- und Impfstrategie. Wegen der epidemiologischen Lage hat der IV-Chefökonom einen Prognosefächer errechnet: Je rascher die Corona-Maßnahmen aufgehoben werden können, desto höher das BIP-Wachstum. Sollte das bis spätestens Ende Juni erfolgen, könnte Österreichs Wirtschaft noch um 2,9 Prozent zulegen. Enden die Einschränkungen erst Ende September, würde der Anstieg auf magere 1,6 Prozent zurückgehen.