Darf es noch ein bisserl mehr sein? Die EU-Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent zu senken, ist eine gewaltige Herausforderung. Trotzdem gibt es Stimmen, welche die Einsparungsvorgaben in Europa und Österreich noch weiter nach oben schrauben wollen. Das übrigens zu einem Zeitpunkt, zu dem China 300 neue Kohlekraftwerke errichtet, die über 700 Mio. Tonnen CO2 emittieren werden. Zum Vergleich: Ganz Österreich stößt pro Jahr 80 Mio. Tonnen CO2 aus.
Für IV-Präsident Georg Knill ist klar: „Wer das Ende allen CO2-Ausstoßes vor 2040 fordert, tut das leider im Wissen, dass das erstens technisch nicht realisierbar ist und dass das zweitens dem weltweiten Klimaschutz wenig nützt. Faktenbasierte Klimaschutzpolitik sieht anders aus.“ Dazu kommt: Klimaschutz-NGOs und Grün-Politiker erzählen ihren Sympathisanten und Spendern mit den kolportierten wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes nur einen Teil der Wahrheit. Der andere Teil lautet: Klimaschutz kostet ein Vermögen – und wird am Ende von den Konsumenten und Steuerzahlern zu tragen sein. „Diese unbequeme, aber fundamentale Wahrheit muss klar kommuniziert werden – sonst gibt es ein böses Erwachen“, fordert IV-Präsident Knill.
Die Devise der Industrie in Sachen Klimaschutz: Vernünftige Klimapolitik muss so gestaltet werden, dass dem Klima geholfen wird, aber (energieintensive) Produktion im Land weiter möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Nur das sichert Arbeitsplätze, Wohlstand und damit nachhaltigen sozialen Frieden. „Weder Klima noch Umwelt wäre langfristig gedient, wenn wir umweltfreundlich produzierende Wirtschaft und Arbeitsplätze durch immer härtere Auflagen in Länder vertreiben, in denen Klimaschutz leider nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle spielt. Das schafft neue, fatale Abhängigkeiten bei bestimmten Gütern und schadet dem Weltklima weit mehr, als es je nützen könnte“, betont IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Für die IV ist wichtig, dass das eingefahrene Schwarz-Weiß-Denken von Umweltpolitikern und Umweltschutz-NGOs endlich der Vergangenheit angehört. Neumayer: „Die Industrie ist kein Bremser beim Klimaschutz, wir sind Vorreiter. Wir sind Teil der Lösung. Nirgendwo auf der Welt wird eine Tonne Zement mit weniger CO2-Emissionen produziert als in Österreich. Auch die heimische Eisen- und Stahlindustrie ist Benchmark in der Nachhaltigkeit. Die Zulieferindustrie hat sich bei Klimatechnologien ebenfalls stark aufgestellt. Für all diese Leistungen haben Unternehmen, die im rauen internationalen Wettbewerb stehen, gewaltige Investitionen getätigt. Klima und Volkswirtschaft können darauf nicht verzichten.“ Zahlreiche Beispiele zeigen, welche Anstrengungen Österreichs Industriebetriebe rund um Forschung und Entwicklung für den Klimaschutz unternehmen – und wie erfolgreich sie dabei sind (siehe Kasten).
„Die Industrie ist kein Bremser beim Klimaschutz, wir sind Vorreiter. Wir sind Teil der Lösung.“
Entscheidend ist jetzt, dass die klima- und industriepolitischen Weichen richtig gestellt werden. Der Industriellenvereinigung ist es insbesondere ein großes Anliegen, dass auch jene Unternehmen mitgenommen werden, für die hohe Energie-Kosten ein zentraler Wettbewerbsfaktor sind. Und das aus gutem Grund: Die volkswirtschaftliche Bedeutung der energieintensiven Industrie – von Papier über Stahl bis Baustoff – ist erheblich. „Die Unternehmen der energieintensiven Industrie sichern in Summe rund 390.000 Arbeitsplätze. Mehr als jeder elfte Arbeitsplatz in Österreich hängt an diesem Sektor“, erklärt IV-Präsident Georg Knill. Nach neuen Berechnungen des Industriewissenschaftlichen Instituts sorgt die energieintensive Industrie für 17 Mrd. Euro an Löhnen, Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben.
„Die energieintensive Industrie soll dabei unterstützt werden, kräftige Investitionen in die Zukunft zu tätigen."
Nachhaltiger Klimaschutz und energieintensive Produktion können und müssen eine gemeinsame Zukunft in Österreich haben. Dafür müssen die betroffenen Unternehmen aber unterstützt werden. Es braucht eine Kompensation der Kosten, die nicht am weltweiten Markt untergebracht werden können. Konkret schlägt die IV einen Industrie-Dekarbonisierungs-Fonds vor: „Die energieintensive Industrie soll dabei unterstützt werden, kräftige Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Das würde sicherstellen, dass der Aufschwung ‚dekarbonisiert‘ gestaltet wird und Investitionen in die richtige Richtung gehen“, erklärt IV-Vize-Generalsekretär Peter Koren.
Konkret soll damit die ausreichende österreichische Finanzierung bestehender Klimaschutz-Instrumente ermöglicht werden: Dabei geht es etwa um die Kofinanzierung von Projekten des Innovationsfonds des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) oder von Investitionen bei den europäischen Großprojekten IPCEI Wasserstoff bzw. Low Carbon Industries. Mit diesen Important Projects of Common European Interest werden transeuropäische Konsortien aufgebaut, die technologische Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft auf den Weg bringen, sie skalieren und industriell umsetzen. Zudem sollte der Industrie-Dekarbonisierungs-Fonds die Erforschung, Herstellung und Nutzung von alternativen Treibstoffen vor allem für die Luftfahrt finanziell mittragen. Ebenfalls auf der Agenda der Industrie: Das Emissionshandelssystem erlaubt es EU-Ländern, Unternehmen Beihilfen zu gewähren, um die durch das ETS verursachten Strompreissteigerungen zu kompensieren. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und verhindert die Verlagerung von Produktionskapazitäten in Regionen mit geringeren Klimaschutzanforderungen (Carbon Leakage). Finanziert werden könnte dieser Ausgleich mit Mitteln aus dem Fonds. Zudem sollte dieser genutzt werden, um klimapolitisch bedingte Kosten für die CO2-reduzierte Produktion über einen längeren Zeitraum auszubalancieren.
„Nicht umsonst ist heute die österreichische Industrieproduktion die umweltschonendste weltweit."
Notwendig ist aus Sicht der Industrie auch eine entsprechende Ausrichtung geplanter Gesetzesvorhaben. Beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) steht der Umbau des Energiesystems in Richtung Klimaneutralität außer Streit. Das EAG muss aber Planungssicherheit auch für die Industrie gewährleisten, die ihre Prozesse von fossilen Energieträgern auf erneuerbaren Strom umzustellen hat. Entscheidend ist die Versorgungssicherheit. Um Blackouts vermeiden zu können, muss der Ausbau erneuerbarer Energieproduktion vom Ausbau entsprechender Infrastrukturen begleitet werden. Bei den Förderungen für erneuerbare Energieträger fordert die Industrie, dass die Belastungen für private und betriebliche Energiekunden auf eine Milliarde Euro pro Jahr begrenzt werden.
Ein wichtiges Thema ist auch die Dauer von Genehmigungsverfahren, etwa für Wasserkraft- oder Windkraftwerke. „Wenn die Dauer der Genehmigungsverfahren nicht einschätzbar ist, werden Projekte nicht realisiert. Das gilt für Energieerzeugungsanlagen genauso wie für die Energie-Infrastruktur“, warnt Neumayer. Er erinnert daran, dass der Bau der 380-kV-Leitung in der Steiermark über 20 Jahre gedauert hat und dass in Salzburg das aktuelle 380-kV-Projekt zur Umweltverträglichkeitsprüfung bereits 2012 eingereicht wurde.
IV-Präsident Georg Knill resümiert: „Es ist wichtig, dass Österreich an europäischen Konsortien zur Stärkung strategischer europäischer Wertschöpfungsketten offensiv teilnimmt. Das Interesse und die Technologiekompetenz der Unternehmen sind jedenfalls vorhanden. Der österreichische Aufbau- und Resilienzplan bietet die Chance, diese neuen Projekte zu finanzieren. Nun liegt es an der Politik, die neuen IPCEIs prioritär im Aufbauplan zu positionieren.“ Für ihn ist zudem klar: „Nachhaltigkeit ist ein zentrales Anliegen für Österreichs Unternehmen, nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und sozial. Nicht umsonst ist heute die österreichische Industrieproduktion die umweltschonendste weltweit. Wir haben nicht nur die Thunbergs dieser Welt in unseren Unternehmen, sondern auch die Düsentriebs, die diese mittels Innovationen auch umsetzen.