Die Niedrigzinsphase trifft die Sparerinnen und Sparer. Welche Maßnahmen könnten dazu beitragen, den Kapitalmarkt für Bürger als Anlagemöglichkeit attraktiver zu gestalten?
Ein attraktiver Kapitalmarkt in Österreich stärkt die Liquidität und schafft zusätzliche Altersvorsorge für die Bürger. Gerade in Zeiten von Niedrigzinsen ist es wichtig, Alternativen zum Sparbuch aufzuzeigen. Im Regierungsprogramm ist die Wiedereinführung der sogenannten Behaltefrist vorgesehen. Hier laufen die Gespräche mit dem Koalitionspartner und ich hoffe, dass wir das Thema bald umsetzen – auch um mehr Gerechtigkeit gegenüber quasi nicht-regulierten Kryptowährungen zu erreichen. Basis für eine aktive Teilhabe am Kapitalmarkt ist eine gute Finanzbildung. Mit unserer nationalen Strategie gibt es erstmals ein Dach, um vorhandene Initiativen zu bündeln.
Mit Olaf Scholz hat ein Befürworter der EU-Finanztransaktionssteuer die deutsche Bundestagswahl gewonnen. Wie schätzen Sie hier mögliche Entwicklungen ein?
Der deutsche Vorschlag würde hochspekulative Transaktionen von der Steuer befreien und klassische Aktienanleger und Unternehmen benachteiligen. Zudem würde die Eigenkapitalfinanzierung gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung benachteiligt, da Anleihen nicht besteuert würden. Österreich hat sich immer für eine breite Bemessungsgrundlage, die Aktien, Anleihen und Derivate umfasst, ausgesprochen und kann den Vorschlag in der vorliegenden Form daher nicht unterstützen. Wie sich das Thema weiterentwickelt, ist aufgrund laufender Koalitionsverhandlungen in Deutschland noch nicht abschätzbar.
Welche Schwerpunkte setzt das Budget, um die aktuelle wirtschaftliche Erholung zu stärken?
Mit dem Budget stellen wir die Weichen Richtung Aufschwung. Allein 2022 haben wir rund 2,2 Mrd. Euro für Zukunftsbereiche wie Klimaschutz, umweltfreundliche Mobilität, Digitalisierung sowie Forschung und Entwicklung vorgesehen. Wichtigstes Projekt ist die Steuerreform. Damit entlasten wir die Menschen, setzen Anreize für umweltfreundliches Verhalten, stärken den Standort und schaffen es trotzdem, mittelfristig die Schuldenquote zu senken. Gerade für Unternehmen sind mit der KöSt-Senkung, dem Investitionsfreibetrag und der Anhebung des Gewinnfreibetrages auf 15 Prozent wichtige Maßnahmen enthalten. Zum Vergleich: In Deutschland hat die FDP bei den Regierungsverhandlungen das Ziel, Steuererhöhungen zu verhindern, von Senkungen ist da keine Rede mehr.
Corona hat die Staatsschulden erhöht. Wie lässt sich die ökosoziale Steuerreform mit dem Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts vereinbaren?
Der wirtschaftliche Aufschwung und eine klare Schwerpunktsetzung im Budget helfen uns beide Ziele zu erreichen. Die Wirtschaftsforscher sehen bis 2026 eine so gute Wachstumsentwicklung voraus, dass sich Steuerreform, ein Defizit unter 0,5 Prozent und eine Senkung der Schuldenquote auf das Niveau vor der Pandemie 2019 ausgehen. Wenn man sich Budgets anderer Länder ansieht, ist das nicht selbstverständlich, Italien plant nächstes Jahr ein Defizit von über fünf Prozent des BIP. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten Schulden zu machen, um zu helfen, ist legitim. In Wachstumsphasen permanent Schulden zu machen, ist Bequemlichkeit zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.