Die Invasion Russlands in der Ukraine betrifft uns in der produzierenden Wirtschaft und in der Kreditwirtschaft in vielerlei Hinsicht: Vor allem bangen wir um die Menschen im Kriegsgebiet. Österreichische Betriebe, die in der Region aktiv sind, machen sich große Sorgen um Gesundheit und Leben ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Familien. Viele heimische Unternehmen haben rasch Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen gesetzt. Neben der humanitären Katastrophe sind auch die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs und der Sanktionen massiv.
Klar ist: Österreichs Industrie unterstützt unmissverständlich die Linie der Bundesregierung und der Europäischen Union. Auf den Bruch des Völkerrechts und einen Angriffskrieg im Europa des 21. Jahrhunderts muss es angemessen klare und gemeinsame Antworten geben. Das sind wir den Menschen in der Ukraine und unseren Werten schuldig, auf denen auch unsere Wirtschaft steht.
Gleichzeitig steht außer Frage, dass unsere betroffenen Unternehmen bestmöglich bei der Bewältigung der großen Herausforderungen durch Krieg und Sanktionen unterstützt werden müssen. Die Industriellenvereinigung steht daher gerade in diesen Krisenzeiten in engem Austausch mit staatlichen Behörden, um einerseits IV-Mitglieder möglichst rasch zu informieren und andererseits politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern ein aktuelles Lagebild aus der Industrie zu vermitteln. Neben abgerissenen Lieferketten und mangelnder Verfügbarkeit von Rohstoffen haben Energieversorgungssicherheit und Energiekosten jetzt Priorität für den Standort Österreich. Oberste Aufgabe der Energiepolitik ist es, die störungsfreie Versorgung mit Energie – konkret mit Erdgas – aufrechtzuhalten. Ein massiver Eingriff wie die Energielenkung, bei der einzelnen Teilen von Gesellschaft und Volkswirtschaft die Energie schlichtweg abgedreht wird, muss jedenfalls verhindert werden (siehe Bericht auf Seite 4). Fakt ist: Haushalte und Industrie sind auf Erdgas angewiesen. Es bleibt unverzichtbar für die Produktion von Gütern, auf die unsere Gesellschaft nicht verzichten kann.
Künftig wird deutlich mehr auf die Diversifizierung von Energielieferungen zu achten sein. Langfristig werden der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energie und gesteigerte Energieeffizienz ihren Beitrag dazu leisten, unabhängiger von russischer Energie zu werden. Dazu müssen aber endlich Genehmigungsverfahren für große Erneuerbaren-Kraftwerke massiv beschleunigt und die dafür erforderlichen Stromleitungen geschaffen werden. Notwendig sind die sofortige Anwendung des bereits bestehenden Standortentwicklungsgesetzes sowie eine echte (!) Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes. Mangelnder Reformeifer wäre angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage geradezu skurril. Bis auf Weiteres werden wir aber weiterhin Öl und Gas aus Russland beziehen, denn auch der ambitionierteste Ausbau erneuerbarer Energie wird keinen kurzfristigen Beitrag zur sicheren Energieversorgung in unserem Land leisten können.
Ihr Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär