Für einen „echten Paradigmenwechsel, weg vom bloßen Verwalten hin zum aktiven Gestalten qualifizierter Zuwanderung und dem Gewinnen internationaler Fachkräfte für Österreich“ trat heute, Donnerstag, der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Michael Spindelegger, Generaldirektor des International Center for Migration Policy Development (ICMPD), ein. Anlass war die Präsentation einer Strategie für qualifizierte Zuwanderung, mit deren Erarbeitung die IV das ICMPD beauftragt hatte. „Es geht darum die Zukunft des Wirtschaftsstandorts zu sichern und die Fachkräftebasis auszubauen. Dazu müssen wir die Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnerländern intensivieren und die Attraktivität Österreichs für neue Fachkräfte steigern. Denn Fachkräftemangel ist eine Wachstumsbremse – und gebremstes Wachstum bedeutet weniger Wohlstand“, hielt Kapsch fest. „Alle Analysen und Prognosen unterstreichen die steigende Nachfrage nach höherqualifizierten Personen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt“, betonte Generaldirektor Michael Spindelegger, der weiter ausführte: „Zur Sicherung der Fachkräftebasis braucht es zweierlei: höhere Qualifizierung und Erwerbstätigkeit im Inland sowie eine wohl durchdachte und proaktive Steuerung der qualifizierten Zuwanderung.“
Ziel der Studie war es zu untersuchen, welche demografischen, technologischen und wirtschaftlichen Trends die Verfügbarkeit von benötigten Fachkräften in Österreich, Europa und darüber hinaus bestimmen werden. Gleichzeitig sollte die Frage beantwortet werden, inwieweit qualifizierte Zuwanderung zur Sicherung der Fachkräftebasis beitragen und wie sie am besten gestaltet werden könnte. Allein in der Industrie ergab sich laut IV-Berechnungen 2018 ein Bedarf an rund 60.000 Fachkräften – rund 10.500 dieser Stellen konnten nicht besetzt werden. Für Gesamtösterreich – und andere Branchen eingeschlossen – war es im gleichen Jahr ein geschätzter Fachkräftebedarf von rund 162.000 Personen.
Ein wichtiger Faktor ist die demografische Entwicklung. Sofern sich vergangene Trends fortsetzen, wird die Gesamtbevölkerung bis 2050 um 10,2 Prozent von rund 8,8 Millionen auf rund 9,7 Millionen Menschen steigen. Diese Zahl sagt aber nichts darüber aus, wie viele Personen dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. So wird auch die Zahl der Personen, die 65 Jahre und älter sind, deutlich zunehmen – von rund 1,6 Millionen auf rund 2,6 Millionen bis 2050. Auf 100 Personen im Erwerbspersonenalter werden rund 47 kommen, die über 65 Jahre alt sind – ein Anstieg von 63,7 Prozent gegenüber heute. Eine klare Zuwanderungsstrategie ist daher von größter Bedeutung. Dafür bedarf es einer soliden Daten- und Informationsbasis, wofür drei Monitore eingerichtet werden sollten: Ein allgemeiner Migrationsmonitor, ein Zuwanderungsmonitor und ein Fachkräftemonitor.
Die neue Strategie empfiehlt 14 Handlungsoptionen, darunter die Erhöhung des Mobilitätspotenzials innerhalb Europas: Nur rund 12,5 Millionen erwerbsfähige EU-Bürgerinnen und -Bürger leben in einem anderen EU-Land. Gleichzeitig gibt es aber rund 15,7 Millionen Arbeitslose in der EU. Dementsprechend ist die Arbeitsmobilität innerhalb Europas zu stärken.
Außerhalb der EU wird die Zusammenarbeit mit Partnerländern vorgeschlagen, deren Liste nicht zu umfassend ausfallen und nach klaren Kriterien erfolgen sollte, u.a.: Passgenauigkeit zwischen Anforderungen und Fachkräfteangebot; allgemeines Bildungsniveau und Vergleichbarkeit der Bildungs- und Ausbildungssysteme; demografische Situation. In diesen klar definierten Herkunftsländern sollte dann vor Ort neben der beruflichen auch die soziale und kulturelle Integration von zuwandernden Fachkräften gefördert werden – das umfasst u.a. die Einrichtung von „One-Stop-Shop“-Ausbildungszentren, Beratung und Begleitung bei administrativen Prozessen sowie Sprach- und vorbereitende Integrationskurse.
Neben den Maßnahmen in Europa und in Drittstaaten ist für eine Stärkung der qualifizierten Zuwanderung auch in Österreich viel zu tun. Die Strategie schlägt u.a. vor, die gesetzlichen Grundlagen sowie Abläufe und Verfahren zu verbessern und einen geeigneten institutionellen Rahmen zu schaffen. Um die Attraktivität Österreichs zu verbessern brauche es etwa mehr englischsprachige Schulen und eine verbesserte Behördenkommunikation. Entscheidend für das Gelingen qualifizierter Zuwanderung sei schließlich eine begleitende Kommunikationsstrategie, die Ziele, Nutzen und Wirkung im Inland und Ausland professionell transportiert.